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Der Passauer-Giftfallen-Fall (Classics #3)

2 min readJun 11, 2024

BGH, Urteil vom 12.08.1997, NJW 1997, 3454f.

Es war einmal in dem wunderschönen Städtchen Passau der ausgebuffte Apotheker Arnulf. Er beklagte sich ob der vermehrten Einbrüche in seiner Apotheke.

So kam ihm eines Tages die Idee ein Fläschchen feinsten Hacklberger Bieres mit einer tödlichen Menge Gift in der Apotheke aufzustellen, ausgehend davon, dass die Einbrecher — sollten sie es noch einmal wagen — beim nächsten Male davon tränken und stürben.

Doch aufrichtig wie er war, informierte er auch die ermittelnden Polizeibeamten von seinem Vorhaben, um jene diese nicht zu gefährden.

Die Freunde und Helfer überredeten den Arnulf jedoch schließlich, das Gift wieder zu entfernen, was der ehrliche Apotheker noch am selben Nachmittag tat.

Strafbarkeit des Arnulf?

Der Versuch des Totschlags ist gemäß § 23 I iVm. § 12 I iVm. § 212 I StGB stets strafbar. Arnulf nahm bei Aufstellung der Flasche Bier zudem zumindest billigend in Kauf, dass ein Mensch sterben würde. Er hatte damit Vorsatz hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung des § 212 I StGB und damit Tatentschluss gefasst.

Letztlich müsste Arnulf noch unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt haben (siehe § 22 StGB). Ein unmittelbares Ansetzen liegt vor, wenn der Täter…

  1. subjektiv die Schwelle zum “Jetzt-gehts-los” überschreitet
  2. und objektiv (nach der Vorstellung des Täters) kein wesentlicher Zwischenschritt zur Tatbestandsverwirklichung mehr erforderlich ist.

Und das sah der BGH hier nicht gegeben. Denn: Vorliegend sei schließlich die Mitwirkung des Opfers zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich. Aus der Sicht des BGH läge in solchen Fällen ein unmittelbares Ansetzen erst dann vor, wenn der Täter die Falle aufstellt und das Opfer sich in den Wirkungskreis des vorbereiteten Tatmittels begäbe.

Das wiederum richte sich ja nach der Tätervorstellung (siehe wieder § 22 StGB). Daher läge bei Gewissheit über das Erscheinen des Opfers bereits bei Platzieren der Falle unmittelbares Ansetzen vor. Ist das Erscheinen für den Täter aber ungewiss, entstehe eine objektive Bedingung und damit ein wesentlicher Zwischenschritt zur Tatbestandsverwirklichung.

Insgesamt hatte Arnulf daher nicht zum Totschlag unmittelbar angesetzt.

Andere Ansichten

Die Auffassung des BGH ist nicht unumstritten. Als Alternativlösung wird zum einen vertreten, dass schon bei Abschluss aller Vorbereitungshandlungen die Versuchsschwelle überschritten sei. Hiernach wäre beim Arnulf ein unmittelbares Ansetzen zu bejahen.

Eine andere Theorie stellt auf die Vorstellung des Täters ab und bejaht den Versuch, wenn der Täter davon ausgeht, dass nun jederzeit der Taterfolg eintreten könne. Nach dieser Theorie müsste hier ein Versuch wohl zu verneinen sein, denn mit einem Einbruch noch am selben Nachmittag hatte Arnulf vermutlich nicht gerechnet.

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Recht Kreativ
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Written by Recht Kreativ

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Fantastische Geschichten aus der Welt des Rechts.

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